VOL. 4 (2003), NO. 2

 

MITTELALTERLICHE PERGAMENTFRAGMENTE
Einbandtechnische Verwendung, Umgang bei der Restaurierung und Aufbewahrungsmöglichkeiten


Autorin/Author: Ágnes Ádám
Zusammenfassung: Im Mittelalter war es ein selbstverständliches einbandtechnisches Verfahren, ältere oder zeitgleiche, manchmal auch mißlungene oder inhaltlich veraltete Pergamenthandschriften wiederzuverwenden. Der Grund dafür war, daß Pergament ein besonders starkes und beständiges Material darstellt, aber auch sehr teuer und schwer zu beschaffen war. Restauratoren befinden sich nun in einer speziellen Situation: Beim Zerlegen eines alten, beschädigten Einbandes können sie gut verfolgen, wo und wie die zerschnittenen, handbeschrifteten Pergamentseiten bzw. Fragmente im Inneren des Einbandes liegen und welche Funktion sie als Hilfsmaterial im Einband ausüben. Durch die Entdeckung dieser Fragmente eröffnet sich wiederum die Möglichkeit, Informationen und wertvolles Quellenmaterial zu erhalten. Ein gutes Beispiel dafür ist ein lateinischer Papiercodex aus dem 15. Jh. (Cod. Lat. 324), in dem im Zuge seiner Restaurierung 20 Pergamentfragmente gefunden wurden, die ehemals für einbandtechnische Zwecke verwendet wurden. Ihre Bedeutung ist besonders gestiegen, als es sich herausstellte, daß sie größtenteils, von einigen Fehlstellen abgesehen, wieder zu den originalen Briefen zusammengeführt werden konnten. Das Ziel der Restaurierung war dabei die Entnahme der Fragemente aus dem Codex und die Rekonstruktion der Briefe. Nach dem Auffinden der Fragmente war eine enge Zusammenarbeit zwischen Restauratoren, Bibliothekaren und Forschern nötig. Das Zusammenfügen der vorgefundenen Fragmente aus dem 13. und 14. Jahrhundert wurde unter Berücksichtigung der fehlenden Teile durchgeführt. Die Fixierung und Restaurierung erfolgte in der Restaurierungswerkstatt der Landesbibliothek Széchényi mit Hilfe einer Ergänzungsmasse, bestehend u.a. aus Pergament- und Zellulosefasern. Die Mehrzahl der in den Einbänden vorgefundenen Fragmente konnte leider nicht zusammengefügt werden. Ihre Aufbewahrung und Unterbringung wirft wiederum ethische Fragen auf: Sollen sie wieder in den Einband eingefügt werden oder nicht? Wo und wie sollen sie aufbewahrt werden? Dafür werden einige Beispiele genannt. Dabei ist es sehr wichtig, daß der oder die Besitzer sowohl den Vorschlag der Restauratoren als auch die gegebenen Lagerungsbedingungen berücksichtigt.
Abstract: It was standard practice in medieval book binding to reuse earlier or even contemporary hand-written codex leaves when they were damaged or their content had become obsolete. This can mainly be attributed to two facts: on the one hand, parchment is an extraordinarily strong and durable material, and on the other, it was very expensive and difficult to obtain. Conservators trace the original placement of the cut off hand-written parchment leaves and fragments within a binding and describe the function they served as auxiliary binding materials. When fragments are discovered, they provide valuable historic source material. A good example to illustrate this is a Latin codex from the 15th century (Cod. Lat. 324) in which conservators found 20 fragments used for binding purposes. These fragments gained special significance when it was discovered that the majority of them could be arranged to form nearly complete leaves. The objective was to reconstruct and ensure legibility of the fragments. This work required close co-operation between the conservator, the librarian and the researcher. The fragments from the 13th and 14th centuries were fit together with compensations as required. This was performed using a thick "pulp" containing parchment and cellulose fibres, which is used in the Conservation Workshop of the National Széchényi Library. Unfortunately, the majority of the fragments discovered in the volumes cannot be fit together. The storage and disposition of these pieces raises ethical issues: Should they be replaced in the binding, or if not, where and how should they be safeguarded? There are some examples to follow, but it is advisable that the owner should take into consideration the recommendation of the conservator as well as the available storage conditions.
Keywords: Einbandtechnische Verwendung (Falzung - Hinterklebung - Kapitale - Spiegel, fliegendes Blatt - Schließenriemen - Bogenreiter - Einband - Reparaturen) - Pergamentfragmente: Belassen oder Entfernen? - Restaurierung der Fragmente des Codex 324 - Aufbewahrung entnommener Fragmente - Dank - Anmerkungen - Literatur - Autorin

MITTELALTERLICHE UND HEUTIGE EINBAND- UND RESTAURIERUNGSTECHNIKEN
Restaurierung in der Stiftsbibliothek St. Gallen


Autor/Author: Martin Strebel
Zusammenfassung: Der Artikel befaßt sich mit der Einbandtechnik und Restaurierung an zwei karolingischen Handschriften (Codex 627 und 247) aus dem größtenteils einheimischen Corpus von Codices und ottonischen Handschriften aus dem 8. bis 11. Jahrhundert der Stiftsbibliothek St. Gallen, einer der ältesten und bedeutendsten Bibliotheken der Welt. An beiden Codices wurden im Verlauf von 1000 Jahren mehrere Reparaturen vorgenommen. Einige dieser Reparaturen waren auch nach Jahrhunderten noch klar erkennbar und aufgrund ihrer Struktur auch reversibel. Bei beiden Einbänden gibt es Hinweise (z.B. an den Kapitalen), daß es sich zumindest teilweise nicht mehr um die originalen karolingischen Einbände handelt. An Codex 627 finden sich je zwei praktisch identische Kapitale, welche merkwürdigerweise hintereinander angebracht sind. Eine weitere Abweichung von der karolingischen Bindetechnik sind die Lederbünde, welche untypisch für karolingische Handschriften aus dem deutschsprachigen Raum sind. An Codex 247 findet man einen über den ganzen Rücken verlaufenden Lederstreifen, der oben und unten Kapitale aufweist, die aufgrund ihrer Machart bereits 500 bis 800 Jahre alt sein könnten. Weil die Kapitalfäden jedoch nicht in die Lagenmitten gestochen sind, sondern nur in den Lederstreifen, muß am Codex 247 im Bereich der Kapitale eine Reparatur erfolgt sein, die aufgrund ihrer Technik dem Mittelalter zuzuordnen ist. Die restauratorischen Eingriffe von 1994 und 1995 erfolgten nach dem Prinzip, den Eingriff so schonend wie möglich zu gestalten, wobei die angewendete Methode den vorgefundenen mittelalterlichen Bundreparaturen vergleichbar ist.
Abstract: The article deals with the binding technique and conservation intervention on two Carolingian codices belonging to the largely indigenous corpus of Codices and Ottonian manuscripts from the eighth to the eleventh centuries at the St. Gall Abbey Library, one of the oldest monastic libraries in the world. In the course of the last thousand years both codices were subject to a number of repairs. Some of these were still traceable and reversible thanks to the clearly defined intervention performed at the time, especially with regard to the headbands. Codex 627 e.g. has two practically identical headbands, which for curious reasons are fixed one behind the other. A further deviation from Carolingian binding technique is the leather thongs which are considered as untypical for Carolingian bindings in the German speaking part of Europe. Codex 247 shows a continuous spine lining, a predominantly Romanesque binding technique, which is sewn to headbands, approximately 500 to 800 years old. However, since the thread of the endband sewing was not introduced into the centrefolds, but only into the continuous spine lining, and without using the holes in the gatherings for the thread of the endbands, it is evident that some repair work has been done on the headbands of Codex 247 which appears to be dated to the Middle Ages. Conservation work on the codices in 1994 and 1995 was based on the principle of keeping the intervention as inoffensive as possible whereby our approach may be assimilated with the repairs of the sewing supports on Codex 627 and 247, which were executed in medieval times.
Keywords: Bellum Judaicum (Codex 627) (Einbandbeschreibung - Zustandsaufnahme und Restaurierung) - Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum (Codex 247) Einbandbeschreibung - Zustandsaufnahme und Restaurierung) - Schlußfolgerungen - Bezugsquellen - Anmerkungen - Literatur - Autor

EDITORIAL

Feinde und Freunde (Wolfgang Jaworek)

IADA INTERN

Kandidaten für den geschäftsführenden Vorstand

Einladung zur Ordentlichen Mitgliederversammlung

LITERATUR

Neu eingegangene Publikationen

Vollständige Liste der Rezensionsvorschläge unter http://palimpsest.stanford.edu/iada/text_rez.html

Rezensionen

Festschrift Otto Wächter (Gerd Brinkhus)
Manfred Schreiner, Marieliese Schack, Helmgard Wallner-Holle und Christa Hofmann (Hrsg.): 50 Jahre Papierrestaurierung in Österreich - 80 Jahre Hofrat Prof. Mag. Otto Wächter. Wien: Phoibos, 2003 (Biblos Schriften, Bd. 178), 214 S., zahlr. Farb- und sw-Abb., ISBN 3-901232-40-0, EUR 35,00.

Festschrift Hans Marte (Gerd Brinkhus)
Mirabilia Artium Librorum Recreant Te tuosque Ebrinat. Dona natalicia Ioanni Marte oblata. Festschrift zum 66. Geburtstag für Hans Marte, Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien: Phoibos, 2001 (Biblos Schriften, Bd. 177), 378 S., zahlr. Abb., ISBN 3-901232-27-3, EUR 49,90.

Mediaeval Colours (Eva-Katharina Nebel)
Mark Clarke: The Art of All Colours. Mediaeval Recipe Books for Painters and Illuminators. London: Archetype Publication, 2001, 152 S., ISBN 1-873132-72-7, GBP 24,50.

Leather Bookbinding (Antonín Andert)
Edward R. Lhotka: ABC of leather bookbinding: an illustrated manual on traditional bookbinding. New Castle DE: Oak Knoll Press, 2000, 142 S., zahlr. sw-Abb., geb., ISBN 1-584-56026-6, USD 39,95.

Scherenschnitte (Michaela Brand)
Matthias Seeliger, Astrid Seeliger: Dorothea Brockmann OSB (1899-1983). Scherenschnitte, Kinderbücher, Gebrauchsgraphik (Holzmindener Papeterie; Bd. 2). Holzminden: Verlag Jörg Mitzkat, 1999, 89 S., 100 Abb., brosch., ISBN 3-931656-25-X, EUR 11,00.
Mechthild Ernst: Maria Louise Kaempffe - Scherenschnitte. Mit einem vollständigen Verzeichnis der im Museum Europäischer Kulturen - Staatliche Museen zu Berlin erhaltenen Scherenschnitte der schlesischen Künstlerin (Holzmindener Papeterie; Bd. 4). Holzminden: Verlag Jörg Mitzkat, 2001, 89 S., 166 Abb., brosch, ISBN 3-931656-39-X, EUR 13,00.
Matthias Seeliger, Astrid Seeliger: Schnittspuren. Zweite Gemeinschaftsausstellung des Deutschen Scherenschnittvereins in Holzminden (Holzmindener Papeterie; Bd. 3). Holzminden: Verlag Jörg Mitzkat, 2001, 73 S., 68 Abb., brosch., ISBN 3-931656-35-7, EUR 11,00.

Spielkartenherstellung (Michaela Schellin)
Werfel, Silvia (Hg.): Kultur- und Technikgeschichte der Spielkartenherstellung. Vorträge und Forschungsberichte der Jahrestagung des Internationalen Arbeitskreises für Druckgeschichte (IAD), 27. bis 29. Oktober 2000 in Grevenmacher/Luxemburg, (Beiträge zur Druckgeschichte, hg. von Harry Neß für den IAD; Bd. 1/2001), 144 S., 33 sw- und 25 Farbabb., brosch. Mainz/Darmstadt: Internationaler Arbeitskreis Druckgeschichte, 2001, ISSN 1618-7709, EUR 30,00 inkl. Versandkosten. Bezugsadresse: Silvia Werfel, Postfach 130283, D-65090 Wiesbaden, smwerfel@aol.com

Diplomarbeiten

Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Zeitschriften online

UK-Edinburgh: Skin Deep, J. Hewit and Sons Ltd. > http://www.hewit.com/skindeep.htm

DE-Münster: Forum Bestandserhaltung > http://www.forum-bestandserhaltung.det

Zeitschriftenauswertung

INTERNET-TIP

Historische Bucheinbände: http://prodigi.bl.uk/bindings (Wolfgang Seidel)

DISKUSSIONSFORUM

Weniger ist mehr: Gedanken zur Minimalintervention am Buch (Patricia Engel)

PROJEKTE

Quellendatenbank: http://www.re.fh-koeln.de/projekte/rezeptesammlung.htm (Doris Oltrogge)

Improved Damage Assessment of Parchment (IDAP): http://www.idap-parchment.dk (René Larsen)

AUS- & FORTBILDUNG

Berichte

AT-Wien: 50 Jahre Papierrestaurierung - 80 Jahre Otto Wächter (Gerd Brinkhus)

CH-Ascona: Methods of Retouching > info@cbl.ascona.ch (Jean F. Rosston)

DE-Detmold/Stapelage: NRW-Papierrestauratoren > http://www.papierrestauratoren.de
(Birgit Harand)

DE-Emden: Historische Bucheinbände > http://aeb.sbb.spk-berlin.de

Ankündigungen

DE-Göttingen: Workshop "Paper and Water" (23.09.03) > restaurierung@mail.sub

TERMINE

Fortbildungsveranstaltungen

ANZEIGEN

Anzeigen

Zentrum für Bestandserhaltung (ZFB), D-04329 Leipzig

Becker Preservotec GmbH, D-04329 Leipzig

Klug Conservation, Walter Klug GmbH & Co. KG, D-87503 Immenstadt

Anton Glaser Feinpapiergroßhandlung, D-70174 Stuttgart, anton-glaser@t-online

GSA-Produkte, Gisela Sand, D-48291 Telgte, GSA-Produkte@t-online.de

Hans Schröder GmbH, D-76689 Karlsdorf-Neuthard

Karthäuser-Breuer GmbH, D-50777 Köln

ProServ Datentechnik GmbH, D-61184 Karben

Geräte, Material und Werkzeuge für Papierrestauratoren Gabi Kleindorfer, D-84186 Vilsheim

Hamburger Buntpapier Susanne Krause, D-22559 Hamburg

Centro del bel libro, CH-6501 Bellinzona, info@cbl-ascona.ch

ZFB Stiftung, D-04329 Leipzig, www.zfb-stiftung.de

Stellenanzeigen

Staatliche Graphische Sammlung München, DE-80333 München

Museum Wiesbaden, DE-65185 Wiesbaden

Schweizerische Landesbibliothek, CH-3003 Bern

Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, DE-70038 Stuttgart

Beilage

IADA, X. Congress, Göttingen, 22.-26. September 2003, DE-37073 Göttingen


[HOME] [IADA] [PUBLIKATIONEN] [KONTAKT] [IMPRESSUM]
© IADA - Online-Publisher: Wolfgang Jaworek
This page last changed: March 28, 2007
[Search all CoOL documents]  [CoOL] [Feedback]